Die Corona-Pandemie und die Maßnahmen der Regierungen zur Eindämmung des Virus beeinflussen unser aller Leben drastisch. Jeder Mensch ist betroffen und mit den Konsequenzen konfrontiert, privat, beruflich und gesundheitlich. In einer Artikel- und Interview-Serie zu diesem Thema möchte ich über die Folgen berichten für Tiere und Tierheime. Im heutigen Interview hat sich Christian Rupp vom Tierheim Speyer Zeit genommen und unsere Fragen beantwortet.
Danke dass Sie sich die Zeit nehmen für unser Interview! Bitte stellen Sie sich und Ihr Tierheim kurz vor.
Das Tierheim Speyer wurde am 19.07.1959 vom Tierschutzverein Speyer und Umgebung e. V. nach zweijähriger Planungs- und Bauzeit offiziell in Betrieb genommen. Der Betreiber des Tierheims ist
der Tierschutzverein Speyer u.U.e.V. Das Gelände umfasst ca. 5000 m² mit einer Aufnahmekapazität von max. 10 Hunden, 30 Katzen und 15 Kleintieren. Darüber hinaus sind auf dem Gelände noch zusätzliche Unterkünfte für unsere Freigänger Katzen als Rückzugsmöglichkeit vorhanden. Im vorderen Geländeabschnitt wurde eine Dienstwohnung erbaut, welche von einer Mitarbeiterin bewohnt wird. Im Kellerbereich sind die Futterküche, ein Aufenthaltsraum, ein Futter- und Deckenlager, ein Waschraum und unsere Katzenkrankenstation untergebracht. Ab April dieses Jahres startet die Teilsanierung des sehr stark in die Jahre gekommenen Hundehauses. Derzeit sind vier Tierpfleger in Vollzeit beschäftigt inklusive Leitung.
Mein Name ist Christian Rupp, ich bin Tierheimleiter und Bereichsleiter Hunde.
Die Epidemie hat wohl auch direkt Auswirkungen auf die Tierheime. Man hört einerseits von einer Zunahme der Haustierabgaben, weil Menschen erkranken, andererseits scheint auch die Nachfrage insb. nach Kleintieren zu steigen. Wie sieht die Situation bei Ihnen aus?
In Zeiten der Epidemie mit Corona haben sich in der Tat sehr viele Menschen, oft bedingt durch „Home-Office“ ein Haustier angeschafft. Vor allem Welpen waren sehr stark bei Tierheimen, Züchtern und leider auch auf verschiedenen Online-Plattformen nachgefragt. So stark das einige Züchter auch ihre Webseiten offline genommen haben. Hier besteht natürlich die große Sorge aller
Tierschutzvereine, dass diese Welpen als Junghunde dann wieder in den Tierheimen landen könnten, in einer Menge und Anzahl, dass es sehr schwer sein dürfte, die Lage dann in den Griff zu bekommen. Auch die Anfrage nach Katzen war erhöht da, sowie die Anfrage bei Kleintieren. Auch wurden sehr viele Kleintiere durch den Einzelhandel (Zoohandlungen) in den Markt und an neue Besitzer gebracht. So dass natürlich auch hier die Sorge einer schier unglaublichen Menge an Kleintieren irgendwo abgegeben, oder ausgesetzt werden könnten.
Wir haben was die Vermittlung von Tieren angeht, sowohl bei Hunden, Katzen und Kleintieren nach wie vor unsere Standards hoch gehalten und genau geschaut warum ein Tier angeschafft werden soll und wie die Gegebenheiten der Interessenten vor Ort sind. Wir haben uns hierfür Leitlinien erarbeitet, um möglichst viele auftretende Eventualitäten abzudecken. Natürlich kann es begingt durch Erkrankungen, Trennungen, starke private Veränderungen usw. immer auch zu einer wieder Aufnahme durch das Tierheim kommen, diese Situation haben wir jedoch sehr selten und bestärkt uns auch in unserer Verfahrensweise.
Befürchten Sie, dass Menschen die Verantwortung und den zeitlichen Aufwand auf langfristige Sicht unterschätzen, wenn sie sich gerade in Lockdown-Zeiten ein Tier anschaffen?
Wir gehen davon aus, dass sich leider die Mehrzahl der neuen Tierbesitzer nicht intensiv genug mit der Haltung des neuen tierischen Freunds befasst haben. Grade im Bereich der Hunde stellen wir immer wieder fest, dass der Hund rein nach dem Aussehen der Rasse angeschafft wird. Sind die Hunde dann aus dem „Welpenalter“ raus und werden zu fordernden Mitglieder der Familie, erreichen uns im Tierheim dann die Anrufe… da gibt es dann den einst so putzigen Border Colie, der Zuhause vor Unterforderung die Zimmer „neu dekoriert“. Den kleinen damals drolligen Schäferhund, der plötzlich anfängt die Kinder zu hüten, oder auch den mittlerweile stattlichen Cane Corso, der plötzlich niemanden mehr auf Grundstück lassen will.
Aber auch bei Katzen die oft mit völlig falschen Vorstellungen der Haltung und des Zusammenlebens mit dem Menschen angeschafft werden. Auch immer wieder erleben wir es, dass nach wie vor viele
Kleintiere alleine und in winzigen Käfigen gehalten werden. Was in keiner Weise dem Tier und seinen Bedürfnissen gerecht wird. Wir können daher nur raten und empfehlen, sich eingehend zu informieren welche Bedürfnisse das Tier hat, dass angeschafft werden soll. Hierzu kann man mit guter Literatur beginnen, sich weiter bei Tierheimen, Tierschutzvereinen, Züchtern usw. weiter und eingehend informieren. Auch sollten alle Mitglieder einer Familie mit der Anschaffung eines Tieres einverstanden sein. Auch die Kosten durch Futter, Tierarzt, ggfs. Erstausstattung sollten nicht unterschätzt werden!
Gibt es denn auch Folgen der aktuellen Situation für Haustierbesitzer direkt? Das Gassigehen ist während verhängter Ausgangssperren weitestgehend erlaubt, auch die Läden für Tierbedarf dürfen in der Regel öffnen. Quarantäne-Situationen können allerdings eine besondere Herausforderung sein, wenn man Kontaktperson ist oder selbst erkrankt. Wie kommen Tierbesitzer Ihrer Meinung nach durch die Krise?
Am besten ist es natürlich, wenn man sich schon im Vorfeld Gedanken macht, wer sich im Falle einer Erkrankung um mein Tier kümmern kann. Das bedeutet, bei der eigenen Familie oder bei Freunden vorab anzufragen, wer z.B. Gassigehen, Füttern, Reinigung von eventuellen Unterkünften usw. übernehmen würde, oder wem man es selbst am ehesten zu traut. Auch sollte man stets die vielleicht benötigten Medikamente Zuhause haben. Auch Futter, dass man sich Zuhause auf Vorrat legt ist sicher keine schlechte Entscheidung.
Natürlich kann man auch bei umliegenden Tierpensionen anfragen, ob man im Falle einer Erkrankung sein Tier eine gewisse Zeit unterbringen kann. Dies ist allerdings mit Kosten verbunden, hier muss dann der Tierbesitzer selbst entscheiden, was er für sinnvoller erachtet.
Die finanzielle Situation ist bei vielen Menschen angespannt. Das dürfte sich auch auf die Spendenbereitschaft auswirken. Außerdem waren und sind viele Veranstaltungen nicht möglich, wie sie typischerweise von Tierheimen durchgeführt werden: Spendensammlungen, Tag der offenen Tür, Vereinsfeste. Wie gut gelingt es Ihnen, diese Ausfälle aufzufangen?
Natürlich waren die letzten Monate sehr hart, was die finanziellen Einkünfte angeht. Da wir durch Corona leider keine Veranstaltungen, wie unsere Tierweihnacht, dass Sommerfest,
oder einen „Tag der offenen Tür“ veranstalten konnten. Das merkt man natürlich nach einer gewissen Zeit dann schon., dass diese Veranstaltungen sehr wichtig für einen Verein sind.
Wir konnten durch verschieden Aktionen, wie einen „Weihnachtskranz-Verkauf“ und einen kleinen „Oster-Basar“, natürlich unter strengen Auflagen, einige Einkünfte erzielen. Auch durch eine beantrage und bewilligte Corona-Sofort-Hilfe beim zuständigen Ministerium in Rheinland Pfalz, konnten wir wenigsten einen kleinen Teil der Einnahmen akquirieren. Dennoch hoffen wir natürlich bald wieder die Veranstaltungen durchführen zu können. Aber auch die Bereitschaft der Bevölkerung in Speyer und Umland uns zu helfen, war wirklich überwältigend. Wir haben neben kleinen finanziellen Spenden, auch sehr vieles für den täglichen Bedarf im Tierheim erhalten. Aber auch die vielen Mails und Anrufe mit aufbauenden Worten, sowie kleine Gesten der Freundlichkeit waren dabei. Das war und ist wirklich phantastisch und Freud uns immer wieder sehr.
Wie kann man Sie und Ihre Arbeit unterstützen?
Im Moment hilft es uns sehr, wenn wir unsere Ausgaben, was die Verbrauchsartikel angeht, senken könnten. Das bedeutet wir würden uns sehr freuen über Spenden wie z.B. Allzweck- und Neutralreiniger, Einweghandschuhe in den Größen S, M und L, Spülmittel und Desinfektionsmittel. Wir haben auch eine Amazon-Wunschliste, auf der sehr viele Artikel aufgeführt sind, die wir dringend gebrauchen können.
Auch über finanzielle Zuwendungen würden wir uns sehr freuen. Da natürlich auch monatliche Kosten für den Tierarzt anfallen. Aber auch die laufende Kosten für Strom, Wasser, Abwasser,
Versicherungen und dringend erforderliche Renovierungen, sind monatlich nicht zu unterschätzen.
Wir freuen uns deshalb immer sehr, wenn man uns dabei unterstützt, auch in Zukunft für die Tiere die uns brauchen da sein zu können.
Vielen Dank für das Gespräch!